Klassische Homöopathie

Die klassische Homöopathie ist eine Therapieform, die vor über 200 Jahren durch Samuel Hahnemann entdeckt wurde. Hahnemann entdeckte die Therapie mehr zufällig und durch experimentieren und Erfahrungen sammeln. Schließlich überdachte er alle Erfahrungen und versuchte diese durch eine Theorie zu erklären. Es gibt also zwei Aspekte: Die Erfahrungen, die er und sehr viele Homöopath_innen und Patient_innen machen konnten, die zweifellos wahr sind und eine Theorie oder auch mehrere Theorien, die versuchen, diese Erfahrungen erklärbar, verständlich zu machen, die natürlich angreifbar sind.

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Die Erfahrungen:

Hahnemann und nachfolgende Homöopath_innen konnten feststellen, dass Stoffe, die im Menschen bestimmte Symptome hervorrufen, Heilmittel für solche Symptome sein können. Also schneide ich z.B. Zwiebeln können meine Augen brennen und tränen. Brennen und tränen meine Augen ohne klaren äußerlichen Anlass, wie z.B. das Schneiden einer Zwiebel, dann kann die Zwiebel – lateinisch Allium cepa – ein Heilmittel für dieses Symptom sein. Dieses Phänomen wird Ähnlichkeitsprinzip genannt. Dieses Ähnlichkeitsprinzip, das bei einem Symptom so einfach klingt, ist die größte Herausforderung in der Homöopathie, denn Menschen haben meistens nicht nur ein Symptom, sondern viele oder das wichtige Symptom kann durch viele Stoffe ausgelöst werden. Daher sucht der Homöopath nach seltenen und charakteristischen Eigenschaften. Es ist, als würde ich jemand einen Menschen beschreiben, der diesen noch nie gesehen hat, aber ihn erkennen können soll, wenn er ihn trifft. Sage ich z.B. jemand hat zwei Arme, zwei Beine, einen Kopf und eine Nase im Gesicht, hilft das nicht viel weiter. Ich brauche besondere Merkmale. Vielleicht ist jemand besonders groß, trägt immer einen besonderen Hut, zieht ein Bein nach etc. Je sonderbarer die Eigenschaften sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich die Person erkenne. In der Homöopathie versuchen wir besondere Symptome des homöopathischen Mittels bei Patient_innen zu finden. In der klassischen Homöopathie wird immer nur ein Mittel für die Summe aller Krankheitssymptome gegeben.

Hahnemann hat anfangs mit materiellen Dosen gearbeitet. Also hat er quasi bei tränenden Augen ein Stück Zwiebel verschrieben. Allerdings hat er bemerkt, dass Symptome Ähnlichkeit mit solchen hatten, die durch giftige Substanzen ausgelöst wurden wie z.B. Arsen oder Quecksilber. Diese Stoffe konnte er natürlich nicht in Dosierungen geben, die zu Vergiftungen führen würden. Also verdünnte er die Stoffe bis sie mehr oder minder unschädlich waren. Nun funktionierten sie aber nicht mehr gut. Durch eine Eingebung kam er auf die Idee, die Stoffe beim Verdünnen zu bearbeiten, ihnen kinetische Energie zuzuführen. Er verrieb und verschüttelte die Substanzen beim Verdünnen und siehe da: Die Substanzen wirkten stärker und ohne Vergiftungserscheinungen. Dieses Verfahren der starken Verdünnung und Verschüttlung ist es, was der Homöopathie die meiste Kritik einbringt, denn die Verdünnungen sind oft so stark, dass letztlich in den homöopathischen Mitteln keine Materie der Ursprungssubstanz gefunden werden kann. Das widerspricht dem Menschenverstand der meisten Menschen, dem Denken der Materialisten und der groben Physik. Es ist aber die Erfahrung und sie ist auch nicht unerklärbar, denn Materie hat in der Physik längst ihren ursprünglichen Charakter verloren und selbst der leere Raum ist heute Gegenstand ernsthafter physikalischer Diskussionen und eben nicht leer.

Eine wichtige Erfahrung Hahnemanns wird meines Erachtens in der homöopathischen Praxis oft zu wenig gewürdigt. Hahnemann stellte fest, dass manchmal gut gewählte homöopathische Mittel nicht wirkten. Er stellte dann fest, dass äußerliche Umstände die Krankheit beförderten oder auslösten. Hahnemann nennt beispielsweise die Blumen im Schlafzimmer oder falsche Ernährung. Ich finde das ist ein sehr wichtiger Aspekt. Er bedeutet, dass wir immer versuchen sollten, mögliche Heilungshindernisse oder Krankheitsursachen zu finden und aus dem Weg zu räumen. Er grenzt auch die Möglichkeit homöopathischer Mittel zur Heilung ein, denn sie können teilweise die Heilungshindernisse nicht überstimmen. Spätestens, wenn gut gewählte homöopathische Mittel nicht oder nur kurz wirken, muss man sich mit Heilungshindernissen befassen.

Die Theorien:

Wenn wir davon ausgehen, dass die Erfahrungen real sind, dann muss es Erklärungen dafür geben, warum dem so ist.

Hahnemanns These war, dass in unserem Körper eine Lebenskraft wirkt, die all seine Bestandteile in bewundernswerter Harmonie hält. Jede Krankheit ist eine Störung der Lebenskraft und alle Symptome sind Folge dieser Störung der Lebenskraft. Ein Ameisenhaufen kann nicht erkranken oder zerstört werden, solange die Ordnung die Gesamtheit der Ameisen steuert. Wird ein Teil durch äußere Umstände zerstört, wird er wieder aufgebaut, kommen Feinde, werden sie abgewehrt. Jede Ameise weiß was sie in welchem Moment zu tun hat – die Summe der Ameisen ist ein Organismus – wie auch der Mensch. Funktioniert allerdings die Ordnung nicht mehr und die Ameisen handeln nicht mehr im Sinne aller, sondern tun wozu sie Lust haben, dann erkrankt der Ameisenhaufen und wird nicht mehr funktionieren. Hahnemann ging nun davon aus, dass die homöopathischen Arzneimittel in der Lage sind, die Lebenskraft zu verändern und ihre Funktion wieder herzustellen. Man mag von der These halten, was man will. Ich denke, dass es ein enormer Fortschritt gegenüber der herkömmlichen Medizin ist, dass ins Auge gefasst wird, dass alle Symptome miteinander zusammenhängen und zusammen eine Krankheit ausmachen, anstatt aus jedem Symptom eine eigene Krankheit zu machen.

Die häufigste These für die Wirkung der Homöopathie, die von Kritiker_innen der Homöopathie aufgebracht wird, ist die Placeobowirkung. Da die Studienlage bei homöopathischen Behandlung eindeutig Wirkungen nachweist, wird der Art wie Homöopathie ausgeübt wird, eine besondere Placebowirkung zugesprochen. Diese These ist durchaus berechtigt, denn bei jedem Heilverfahren gibt es Placeboeffekte. Der Vorwurf gegen die Homöopathie ist, dass diese nicht nachweisen könne, dass ihre Wirkung nicht allein auf Placebo beruhe. Dies wird einerseits von Wissenschaftlern bestritten, andererseits ist das für mich von sekundärer Bedeutung. Homöopathie wirkt – durch die Gesamtheit ihres Verfahrens. Welcher Anteil sich auf das homöopthische Mittel, welcher auf den Umgang mit den Patient_innen und welcher auf Placebo zurückzuführen ist, ist für mich weniger relevant als die Möglichkeit Menschen, die in der Regel keine Hilfe in der Schulmedizin finden konnten, Linderung oder Heilung zu ermöglichen. Etwas belustigend finde ich allerdings diejenigen, die einerseits der Homöopathie aufgrund der mangelnden Nachweisbarkeit einer Wirksubstanz in den homöopathischen Mitteln die Wirkung absprechen, aber gleichzeitig Placebos, die gerade ausmacht, dass sie ohne Wirksubstanz sind, eine Wirkung zusprechen.